Die Nordland-Ponys eines Seefahrervolks finden nach Jahrhunderten immer mehr Liebhaber - Rainer Knichel züchtet die zähen Isländer

Stolz der Wickinger auf wirbelnden Hufen

In Riesweiler lebt eine ganze Herde der kleinen Pferde

Von Thomas Link

 

Richtung Norden und dann immer geradeaus ... Dieser Werbespruch für einen Magenbitter führt den Deutschen zu einer sturmumtosten Insel im Atlantik, zu eisigen Gletschern, feurigen Vulkanen: Island.

Dort leben seit mehr als tausend Jahren auch Pferde. Sie bilden eine ganz besondere Rasse, die sich bei geringer Körpergröße durch große Zähigkeit auszeichnet. Einige dieser Vierbeiner leben in der Hunsrück-Gemeinde Riesweiler auf dem Hof der Familie Knichel: Isländer - oder wie Pferdeleute sagen: Isis.

Reiner Knichel, im Hauptberuf Diensthundeführer im Munitionshauptdepot Rheinböllen, las schon als Kind die Island-Sagas über die Wikinger. Dieses Seefahrervolk entdeckte um das Jahr 870 unserer Zeitrechnung Island, später angeblich sogar Amerika - lange Jahrhunderte vor Kolumbus.

Mit auf großer Fahrt auf den kleinen Schiffen waren stets kleine Pferde, die aber nicht nur Reittier, sondern auch lebende Fleischverpflegung waren. Auf dem unwirtlichen Eisland bot sich den Tieren kaum eine Lebensgrundlage; dennoch schafften es besonders widerstandfähige Exemplare, die langen, strengen Winter zu überleben. Nach und nach entstand eine einheitliche Rasse, wie sie wohl nur das Klima Islands hervorbringen konnte.

Knichel junior war fasziniert von den Abenteuern seiner Helden, natürlich auch von ihren Pferden - ohne je eines gesehen zu haben. Denn seinerzeit waren die Isis außerhalb der abgelegenen Insel ausgesprochen selten: Sie wurden als der größte Stolz der Isländer nur selten exportiert - und verließ einmal ein Pferd die Insel, durfte und darf es nie mehr zurück. Während es heute in Deutschland etwa 40 000 Pferde isländischer Abstammung gibt, waren es im Jahr 1975 höchstens 3000 Tiere.

Reiner Knichels Zucht begann vor gut 25 Jahren, als er mit viel Glück eine gute Stute erwerben konnte. Zuvor hatte er sich schon mit Warmblütern beschäftigt. Nach einem beruflichen Wechsel aber wollte er endlich seine Isis, zumal diese, durch ihre nordische Abstammung an Hunsrücker Wetterunbill einigermaßen gewöhnt, einfach zu halten sind.

Die robusten Tiere wollen keinen Stall, dafür - ob Sommer oder Winter - ihren freien Auslauf auf den Wiesen. Als Schutz vor gar zu schlimmen Wetter reichen ein paar Bäume, ein nur wenig genutzter Unterstand. Mit auf den Weiden stehen übrigen auch Galloway-Rinder, deren Vermehrung ein weiteres Hobby des 50jährigen Pferdemannes ist.

Hakon von Simmern ist bislang das beste Pferd, das im Island-Pferdehof vom Soonwaldblick das Licht der Welt erblickte. Der Rapp-Hengst steht seit 1987 in Norddeutschland auf einer Deckstation. Während Hakon für deutsche Zungen noch einfach auszusprechen ist, sind die Namen anderer männlicher Tiere verbale Stolpersteine: Stigandi frá Kolkusósi heißt beispielsweise der Hakon-Vater. Die Namen der Stuten sind einfacher.

Nahezu alle Pferde dieser Welt laufen in drei Gangarten: dem Schritt, dem Trab und dem Galopp. Isländer dagegen kennen vier, sogar fünf Gangarten: den Tölt, einen wirbelnden Schritt im Renntempo, und den Paß, wobei das Pferd wie ein Kamel mit beiden Beinen einer Seite gleichzeitig in der Luft ist.

Besonders der Tölt macht den Isi für den Reiter so interessant - man sitzt völlig ruhig auf dem Rücken des Tieres, schwebt förmlich. Im Dressurviereck der Groß-Pferde wird man einen Isländer nur selten sehen, für sie gibt es eigene Turniere und Schauen aber nur wenige und im ganzen westlichen Deutschland verteilt. Bestens geeignet ist der Isi für das Freizeitreiten im Gelände, einem Sport, dem neben Reiner und Ehefrau Renate auch Tochter Knichel am liebsten nachgehen. #9; #9; #9;

 

 

Die Prinzessin vom Hunsrück

 

Als die heutige Königin Margarethe von Dänemark im Jahr 1967 heiratete, machten ihr die Isländer das wertvollste zum Geschenk, was sie besaßen: ein Pferd. Dazu muß man wissen, daß Island staatlich gesehen zu Dänemark gehört, andererseits die Isländer nur Pferde von der Insel lassen, die sie für ihre Zucht nicht gebrauchen können - schließlich darf ja kein Pferd zurück.

Seinerzeit war aber der wertvollste isländische Besitz eine Stute, wie man sie bis dahin in Jahrhunderten nicht gezüchtet hatte. Dieses Pferd wurde zum angemessenen Hochzeitsgeschenk für die Königin und kam so nach Dänemark. Mit diesem Ausnahme-Isi keinen Nachwuchs zu ziehen, wäre eine Sünde gewesen; so wurde die Stute im Lauf der Jahre mehrfach gedeckt. Und so kommt es, daß auf dem Hof der Knichels eine richtige Pferdeprinzessin steht: die sechsjährige Elja.

 

Gewicht ist kein Thema

 

So klein die Isländer mit ihren etwa 130 Zentimetern Stockmaß auch sind, so zäh, gesund und langlebig sind sie auch. Ein großes (Reiter)-Gewicht zu tragen, ist für die Tiere auch auf längere Strecken über Stock und Stein kein Problem. Die Isis gibt´s in allen Farben, sogar gescheckt.

Die dicke Mähne schützt den kurzen, kräftigen Hals vor Kälte und Nässe. Ihre Herkunft von der Fels- und Eisinsel fördert kräftige Beine mit stahlharten Hufen, die nur selten einen Beschlag benötigen. Island-Ponys besitzen einen ausgeprägteren Orientierungssinn als andere Pferderasse. Auch in fremden Terrain finden sie immer an den Ausgangspunkt bzw. Platz mit gutem Futter zurück.

Das größte Problem für Isländer in unseren Breiten sind kleine Mücken. Aus Stichen entwickeln sich nicht zu heilenden Ekzeme. Betroffene Isis mit "süßem Blut" sollten nicht für die Zucht eingesetzt werden. Als Reit-, Last- und Zugtiere sind die Isländer ein Pferd mit zurückhaltendem Familiensinn für Erwachsene und Kinder.

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