Gesetztere Herren...

... halten nicht viel vom Streß. Zwar fährt man die Enkel öfters zu allerlei Reitturnieren, enthält sich aber bei der aktiven Teilnahme. Das Recht der älteren Sportler ist die Gemütlichkeit. Deshalb bin ich froh, daß jemand mal das Wanderreiten erfunden hat. In dieser Sportart übe ich mich oft und gern, sitze mindestens einmal jährlich für mehrere Tage im Sattel, lege mit meinem Pferd Schritt für Schritt auch größere Entfernungen zurück. Mein weitester Ritt führte von Meisenheim in vier Tagen über 160 Kilometer bis nach Adenau in die Eifel.

Zu viert gingen wir an den Start, einige Frauen bildeten den Begleittroß, verwöhnten uns unterwegs mit den nötigen leiblichen Genüssen. Sogar jemand vom Allgemeinen Anzeiger, unserer örtlichen Tageszeitung, hatte sich eingefunden, galt unser Ritt doch als "unerhörtes Unternehmen".

Endlich ging's los. Allerdings zunächst mit dem Hänger bis Gemünden im Hunsrück. Die wenigen Kilometer bis zum Etappenziel Womrath waren schnell geritten, die Ausrüstung dabei auf Eignung untersucht. Die Nacht verbrachten fast alle im Heu; ich zog die Ruhe im richtigen Bett vor. Denn im Stroh lauern für mich große Gefahren in Form von nächtlichem Mäusebesuch. Der zweite Tag wurde härter als die erste Strecke. Mehr als 60 Kilometer waren es bis Cochem, wo wir abends von einer leckeren Erbsensuppe unserer Frauen erwartet wurden. Unterwegs hatten wir von allem etwas. Regenschauer und Pferde, die entsprechende Mäntel haßten, Sonnenschein bis zum Schweißausbruch, Windböen, die einen fast vom Sattel fegten. Herrlich!

Auch der dritte Tag war heiß, begann in der Moselstadt mit einem kühlen Bier auf dem Cochemer Marktplatz, wobei wir von Touristen bewundert wurden. Nach langem Ritt landeten wir im nächsten Quartier. Der Gastgeber bildet Kutschpferde aus. So ergab sich zum Thema eine lange Nacht bis in die Morgendämmerung.

Der letzte Tag war von besonderen Schwierigkeiten gekrönt. Denn auf dem Weg zum Ziel kannten wir die genaue Strecke nur von der Karte, die allerdings kaum etwas mit der Wirklichkeit zu tun hatte. So fragten wir uns mehrfach: "Links oder rechts am Ort vorbei oder mittendurch?" Fast hätten wir uns ständig im rechten Pfad vertan, wäre nicht einer der Mitreiter auf ganz besondere Weise ortskundig gewesen. Von früheren Besuchen in der Gegend kannte er zwar nicht die Namen der Dörfer, dafür aber die Form des Kirchturms, die Lage der Ortskneipe und den dazugehörenden Vornamen der Wirtin immer ganz genau. So erlebten wir dann eine der Kneipen-Rein-Touren, die uns Gott sei dank immer wieder auf den richtigen Weg brachten.

Schließlich grüßte uns aus der Ferne der Nürburgring, den es bis zum  Ziel noch zu umreiten galt. Gerne wären wir an der schnellen Autostrecke entlang galoppiert, doch leider trafen sich am Ring gerade tausende von Autofahrern zu einem Rennen der PS-stärkeren Art.

So legten wir die letzten Kilometer am Straßenrand und auf eigenen Füßen zurück. Richtig erholt und fit für kommende Aufgaben an gesetztere Herren packten wir nach einer gesegneten Brotzeit die Pferde in die Hänger und fuhren zurück in heimatliche Gefilde.  Alois Marx

 

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