Der John Wayne von der Pfalz

Vom Viehtrieb in Reiffelbach/Pfalz

 

Von Thomas Link

Horst Maurer lebt eindeutig 100 Jahre zu spät und dazu noch auf dem falschen Kontinent. Maurer wäre rechter ein Cowboy im Wilden Westen der Vereinigten Staaten von Amerika.

Wer den 47jährigen in seiner nordpälzischen Heimatgemeinde Reiffelbach besucht, der sieht sich häufig einer Art John Wayne gegenüber. Genauso lang, nicht ganz so breit steht er an einem herbstlichen Samstag morgen vor mir. Schwarzer Westernhut, der nicht alle blonden Haare bändigen kann, rot-kariertes Hemd, schwarze Weste, breiter schwarzer Gürtel, schwarze Jeans, schwarze Stiefel. Mit ruhigen Strichen striegelt Maurer sein schwarzes Pferd, als er mir von seinem Kindheitstraum erzählt: Er wäre so gerne Cowboy geworden. Auch heute noch verschlingt er Western-Romane, läßt kaum einen Fernsehfilm aus, in dem sein Vorbild John Wayne mitspielt.

Einmal im Jahr schwingt sich Maurer auf sein Pferd und ist John Wayne - und heute ist ein solcher Tag. Er erfüllt sich seinen Traum, denn der Reiffelbacher ist Landwirt, Herr über 150 Hektar Weide- sowie Ackerland und 200 Mastrinder. Seine Limousin und Charolais leben vom Frühjahr bis in den Herbst hinein auf den Koppeln, heute und über Winter kommen sie in den heimischen Stall - in einem Treck, getrieben von Cowboys.

Vor dem Stall warten 32 Berittene: Urige Männer und Frauen auf kraftvollen Pferden aller Rassen - wie Maurer tragen sie durch die Bank weg breitkrempige Hüte und lässig geschlungene Halstücher. Horst Maurer (Bild links) begrüßt seine Mannschaft: Zwei Rinderherden von zusammen 100 Stück müssen von verschiedenen Weiden zusammengetrieben und dann über mehrere Kilometer Maurer-Land in den heimischen Stall gebracht werden. Vor dem Abritt wird noch Marschverpflegung verteilt: Blut- und Leberwurst, sogar Saumagen gibt`s in offenfrischem, selbstgebackenem Brot.

In einer großen Gruppe führt Maurer seine Reiter in die herbstliche Landschaft hinaus. Die Morgennebel haben sich gelichtet, die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Nur der Wind ist etwas unangenehm. Nach einigen Kilometer Strecke ist die erste Rinderherde erreicht.

Wiederkäuende Kühe, muhende Kälber werden von den Cowboys und -girls eingekreist. Die meisten der Pferde kennen das Spiel noch vom vergangenen Jahr. Langsam setzt sich der Treck in Bewegung. Hinterherzockelnde Rinder werden mit Rufen zur Eile getrieben.

Die Nordpfalz ist eine hügelige Landschaft. Über Bergkuppen und langgezogene Wiesentäler wird bald die zweite Weide, die zweite Herde erreicht. Auch das Vereinen beider Gruppen gelingt - und weiter zieht die Karawane. Wieder Hügel, wieder Täler.

An einem Gatter kommt, worauf alle gewartet haben: Ein Kalb will nicht durch das Tor. Laut muhend macht es kehrt - das Muttertier und die Hälfte der Herde machen kehrt. Eine Lawine bricht los, ist nicht zu halten. Die Cowboys machen den Weg frei, lassen die Tiere erst einmal rennen. Dann wird nachgesetzt. Im Galopp geht`s an der Herde vorbei; unter dem Einsatz der Pferde, schwingender Lassos und der Stimme werden die Rinder in einen weiten Bogen zurück zum Tor getrieben. Das dauert seine Zeit.

Danach muß die Herde durch einen Bach, zwischen engstehenden Bäumen hindurch gut drei Meter tief zum Wasser. Diesmal spielen die Rinder mit, die Cowboys halten sich zurück. Noch ein paar Hügel, noch ein paar Täler - dann ist der Maurer-Hof erreicht. Die Männer und Frauen sind geschafft, viele Pferde sind nun doch geschwitzt. Liebevoll werden sie versorgt, gewaschen und abgedeckt oder auf Koppeln entlassen.

Horst Maurer ist glücklich - die 32 Berittenen haben es wieder einmal geschafft; niemand - auch kein Pferd - wurde verletzt. Seit Jahren schon, so erzählt der Landwirt, lädt er am letzten Oktober-Wochenende befreundete Reiter zum Viehtrieb ein. 22 Cowgirls und -boys waren`s im vergangenen Jahr, dazu 400 begeisterte Zuschauer. Wieviele Schaulustige begleiteten den Treck in diesem Jahr? Der Blick schweift übers Gelände, in die Halle - viel mehr!

Und während sich der Landwirt mit einem furchterregenden Bowie-Messer ein Westernsteak vom Grill angelt, strahlt er übers ganze Gesicht: "In uns allen steckt ein John Wayne!"

 

 Homepage

Update: 10.1.1999