Zwei Journalisten auf ihrem Ritt durch den Landkreis Bad Kreuznach
Viel zu heiß für große Sprünge
Packtaschen geschnürt, Karten studiert: Los geht´s - Unsere Ponys lassen es ruhig angehen
„Wo
soll's denn hingehen?" „Einmal rund um den Landkreis!" „Mit de Gäul?" „Mit
de Gäul!" „Übernachtet ihr dann auch irgendwo?" „Nee, wir machen's in
einem Rutsch." Fast glaubt der Nachbarssohn auch die letzte Antwort. Ist natürlich Quatsch. Die Tagesetappen der „Kreisbereitung" sollen bloß so lang sein, wie Pferde und Reiter eben Lust haben. Und dann geht's ans Quartiersuchen. Schlafsäcke sind hinter dem Sattel festgezurrt, eine Koppel für die Pferde und eine Liegewiese für die Reiter - mehr ist nicht nötig. |
Kristina Hammer und Klaus Schmelzeisen unternahmen im August 1995 einen sechstägigen Wanderritt rund um den Landkreis Bad Kreuznach. Ihr Erlebnisbericht wurde unter dem Titel "Gut zu Huf" im "Oeffentlichen Anzeiger" veröffentlicht und später mit dem Deutschen Journalistenpreis ausgezeichnet. |
Mal sehen, wie die Bewohner des Landkreises auf solche abendlichen Überfälle reagieren. „Entschuldigen Sie, wir sind mit Pferden unterwegs und suchen einen Platz zum Übernachten - wo ist das denn möglich hier?"
Start und Ziel: Der Breitenfelserhof bei Guldental. Vier Wanderkarten sollen uns den Weg weisen, möglichst abseits der befahrenen Straßen.
Keine 200 Meter sind wir in brütender Hitze unterwegs, da gibt's auch schon das erste Problem: Der Packsack hinter Piccos Sattel schlackert, und das ohnehin quirlige Pferdchen bekommt einen hysterischen Anfall. Der erste Krach bahnt sich an: „Wie kann man den Sack nur so ungleichmäßig bepacken!" „Du hast doch gesehen, was ich reingetan habe!" „Überhaupt haben wir viel zuviel mitgenommen!" „Wenn wir's nicht mitnehmen, bereuen wir's!" Es hilft alles nix. Anhalten, auspacken, umpacken, Riemen stramm anzurren (hoffentlich reißt keiner) - und weiter. Die Optimal-Lösung findet sich allerdings erst im Laufe des Tages. Gar nicht so einfach, möglichst viel Kram auf möglichst kleinem Raum unterzubringen und dann auch noch gleichmäßig auf dem Pferd zu verteilen.
Durch Guldental geht es in den Langenlonsheimer Wald, entlang der Mülldeponie. Der Spaß an der frischen Waldluft kann einem auf diese Art freilich verleidet werden. Das Wild allerdings scheint sich mit der Zivilisation und ihrem Müll abgefunden zu haben, jedenfalls springt uns ein Reh über den Weg. Überhaupt sieht man viel Wild, wenn man mit Pferden unterwegs ist. Vielleicht, weil der natürliche Geruch der Ponys den eigenen überdeckt...
Am nördlichen Rand des Langenlonsheimer Waldes kommen wir zum Aussichtspunkt „Rheinblick". Zwar ist der Rhein nicht zu sehen, dafür liegen Rümmelsheim, Dorsheim, Burg Layen zu unseren Hufen. Und wenig später erspähen wir sogar Geisenheim im Rheingau - unschwer zu erkennen an seinen Hochhäusern.
In diesem Teil unseres Kreises ist Schatten leider Mangelware, entsprechend häufig fragen wir in den Dörfern nach einem Eimer Wasser für die Ponys - meist mit Erfolg. Hrappur, der Island-Schecke, hat sowieso schon wieder den Spargang eingelegt. Als alter Hase in Sachen Tourenreiten drosselt er das Tempo, sobald er dicke Packtaschen auf dem Buckel hat. Jungspund Picco, ein Island-Paso-Mix, ist da weniger vernünftig - aber das kommt mit der Zeit schon...
Irgendwo zwischen Langenlonsheim und Bretzenheim wollen wir die Nahe durchwaten. Bei Niedrigwasser wohl kein Problem, außerdem soll da irgendwo eine Furt sein. Denkste! „Da kommt ihr nicht durch", unkt eine Anwohnerin. „Eine Furt? Nicht daß ich wüßte", winkt auch unser Wasserspender in Langenlonsheim ab. |
![]() Start am Montagmorgen: Ein letzter Blick in die Landkarte und dann auf zur großen Kreisbereisung. Ein langer Weg liegt vor Picco, Kristina, Klaus und Hrappur (v.l.) - heute solen´s gut 20 Kilomter werden. Foto: Gerhard Kind |
An der Guldenbach-Mündung sieht die Nahe seicht aus, doch eine planschende Familie warnt: Weiter draußen sei der Fluß drei bis vier Meter tief, gefährliche Strömungen inklusive. „Da sind auch schon Pferde ertrunken - und Kinder!" Das schreckt ab. Also pilgern wir flußaufwärts weiter und bewundern die schönen Kleingärten. Da gibt's welche, zwei Meter hoch eingezäunt, mit Stacheldraht gesichert, in denen selbst die Apfelbäumchen in Reih und Glied stehen müssen. Zeige mir dein Kleinod, und ich sage dir, wer du bist...
Der Weg schlängelt sich zwischen Bahnlinie und Fluß entlang und hört kurz hinter Bretzenheim im Gestrüpp auf. Keine Furt weit und breit. Also umkehren, die Bahn unterqueren. Asphalttreterei durch ganz Bretzenheim? Muß nicht sein. Auf der anderen Seite der Bahnlinie erspähen wir einen Feldweg. Wir klettern mit den Pferden die Böschung hinunter, lauschen wie die Indianer an den Gleisen, ob auch kein Zug kommt, hasten auf die andere Seite, die Böschung wieder hoch. Letztendlich müssen wir den Fluß doch auf der B 41 überqueren. Einen Bürgersteig gibt's nicht, und an das baustellenbedingte Tempo 10 hält sich kein Mensch. Dafür gaffen viele nach uns, statt an der Ampel loszufahren. Hupkonzerte. In der Nahe steht, von all dem Trubel unberührt, ein Reiher.
Ein Autofahrer beweist eine sonderbare Art von Tierliebe: Er fährt extra nah an unseren Pferden vorbei, damit seine Beifahrerin durchs geöffnete Autofenster die Ponys betatschen kann. Drive-in-Streichelzoo?? Wir flüchten über die Weinberge zum Bonnheimerhof. „Wäre prima, wenn's da ein Quartier gäbe..." Es gibt. „Klar", sagt unser Gastgeber, „ich bringe meine Schafe auf die andere Wiese, und ihr könnt im Fischerhüttchen übernachten, da hinten zwischen den Bäumen könnt ihr Grundwasser schöpfen, und da sind Liegen im Häuschen."
Wir selbst genießen einen trockenen Müller-Thurgau („nur für geübte Weintrinker", steht in der Karte) und Brotzeit unter der jahrhundertealten Platane im riesigen Gutshof. So läßt sich's aushalten am ersten Abend!
Etappe 2 führt vom Bonnheimerhof über Altenbamberg zum Neudorfer Hof.