Geschichte des Westernsattels

Vom Arbeitssitz zum Prachtstück

 

Der Cowboysattel ist während seiner langen Entwicklungsgeschichte stets für einen Zweck konstruiert und gebaut worden: Für harte Arbeit mit dem Pferd, um viele Stunden, Tage, ja Wochen bei jeder Gangart, in jedem Gelände und bei jedem Wetter darauf zu sitzen, ohne daß Pferd und Reiter mehr ermüden, als unbedingt notwendig ist.

 

Der Sattel ist das erste Stück einer Ausrüstung, die sich ein Cowboy anschafft, das letzte, dessen er sich entledigt und daher auch das Wichtigste. Ein Cowboy mochte sein Pferd verkaufen, seine Waffen, ja sogar seine Stiefel, sobald er aber seinen Sattel verkaufte, war er nicht länger ein Cowboy.

 

Der Cowboysattel ist schwer, er wiegt normalerweise nicht weniger als 15 bis 25 Kilogramm. Wäre er leichter, so würde ihn die schwere Beanspruchung bald in Stücke reißen. Das Gerüst des Westernsattels ist der Sattelbaum, der aus zwei langgestreckten Hartholzschalen besteht, die vorne am Hals des Pferdes durch einen gabelartigen "Vorderzwiesel" (engl. Saddle Fork) und hinten durch den halbkreisförmigen, zur Lehne aufgebogenen "Hinterzwiesel" (engl. Cantle) verbunden sind. Zumeist noch mit Stahlbändern verstärkt, ist dieser Sattelbaum so in zwei Hälften geteilt, daß Rückgrat und Widerrist des Pferdes frei bleiben. Das ganze Holzgerüst ist mit Rohleder überzogen und vernäht, der Hinterzwiesel - auch "Sattelkranz"  genannt - ist zur steil aufstrebenden Sitzlehne hochgezogen, der dem Reiter auch bei seitlichen Bewegungen festen Halt vermittelt.

Die "Sattelgabel", besonders mit Stahlbändern an Innen- und Außenseite unter dem Rohlederbezug verstärkt, trägt (sozusagen als Gabelgriff) das lederverkleidete Sattelhorn aus Stahl, das mit gabelartigen Stahlbändern an die Sattelgabel angeschraubt ist. Dieses Sattelhorn muß, wenn Wurfseilenden an ihm befestigt werden, einer sehr starken Belastung standhalten.

 

Der "Sitz" (engl. Saddle Seat) besteht aus starkem Hartleder, das die beiden "Seitentrachten" des Holzgestells zwischen Sattelkrone und Sattelgabel überzieht.

 

"Sattelunterlagen" sind zwei langgestreckte, breite Hartlederplatten, die so an den hölzernen Seitentrachten befestigt sind, daß sie genau unter der Mitte des Sattels, also dort, wo sie auf dem Rückgrat des Pferdes liegen, beweglich zusammen stoßen. Diese "Unterlegplatten" (engl. Saddle Skirt) sind mit weichem Filzstoff unterlegt und an den Rändern mit sogenannten "Schweißbändern" (engl. Sweatbands) besetzt. Wird nun der Sattel auch noch auf einer "Satteldecke" (engl. Saddle Fad oder Saddle Blanket) gelegt, so ergibt sich für das Pferd genügend Polsterung  zwischen dem harten Sattelgerüst und seinem Rücken. Das "Sitzleder" wird an seiner Vorderseite beidseitig durch die "Front Jockeys", an seiner Rückseite durch die "Back Jockeys" ergänzt, die mit den Kanten der Sattelunterlagen abschließen und aus weichem, aber festem Leder bestehen, das mit dem Überzugleder von Gabel und Krone zu einer Einheit vernäht ist.

 

"Steigbügelriemen" und "Sattelgurt" werden an Eisenringen befestigt, die direkt mit den seitlichen Gerüsttrachten verbunden sind und durch die Lederverkleidung unterhalb der Vorder- und Hinterjockeys hervorkommen. Unter den Steigbügelriemen befinden sich beiderseits breite, langgestreckte, vom Sitzleder bis fast an die Steigbügelhalter reichende "Schutzschilder" (engl. Fender), die die Beine des Reiters vor Schweiß und Gestrüpp schützen.

 

 

Ein nur leicht verzierter Westernsattel mit Rand-Punzierung. Durch diese ins Leder geschlagenen Muster wird das Material stabiler!

 

 

Der "Sattelgurt" (engl. Cinch) führt von einer Seite des Sattels unter dem Leib des Pferdes zur anderen Seite und hält, mit "Sattelgurtringen" (engl. Rigging) befestigt, den Sattel fest auf dem Pferderücken. Beiderseits des Sattels sind an den Jockeys jeweils drei "Conchas" mit langen Flechtriemen angebracht, die einen doppelten Zweck erfüllen: sie dienen einmal der Befestigung der Jockeylederplatten mit der Sattelverkleidung, zum zweiten dazu, allerlei am Sattel zu befestigen.

 

Obwohl der Sattel in der Hauptsache ein unentbehrliches Arbeitsgerät war, schmückte ihn der Cowboy dennoch, wo eben dies möglich war. Ornamentschnitzereien und Mustereinstempelungen an allen Lederteilen machten jeden Sattel zu einem individuellen Prachtstück, so daß man heute in den USA kaum noch glatte Sättel, sondern fast nur industriell ornamentierte herstellt. Die frühen Cowboys brachten auch sogenannte "Pferdejuwelen" als Sattelschmuck an, Silberplättchen, Messingschnallen, Edelmetallbesätze, klingende Glöckchen, usw. Steigbügelriemen, Sattelgurte und Conchastreifen bestanden aus kunstvoll geflochtenem, vielfarbenem Lederflechtwerk; Steigbügel waren handgeschnitzt und mit Edelmetall verziert. Steigbügelschuhe waren Kunstwerke.

 

Geschichtliches

 

Der Amerikanische Cowboysattel hat sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte aus dem spanisch-mauretanischen Kriegssattel entwickelt, den die spanischen Eroberer nach Amerika brachten. Bei diesen schweren Sätteln, auf denen Ritter in Panzerrüstungen saßen, waren Vorder- und Hinterzwiesel mit ornamentiertem Eisenblech gepanzert und die Sattelunterlage mit rotem Samt besetzt.

 

Allmählich entwickelte sich aus dieser arabisch-europäischen Form der spezifisch neue Sattel der Neuen Welt, etwa um 1770 der spanische "Hacendado-Sattel", bei dem schon die künftigen Hauptmerkmale des Cowboysattels deutlich wurden:  Sattelgabel mit Sattelhorn und Sitzkranz mit Sitzlehne. Allerdings waren beide Teile aus blankem, poliertem Hartholz und unverkleidet. Das Sitzleder war als sogenannte "Überlage" ausgebildet, die einfach über den rohen Sattelbaum gelegt wurde, wobei der Sattelkranz durch einen Schlitz im Sitz paßte. Fast kreisförmig hingen große Lappen des Sitzleders seitlich über die Steigbügelriemen herab.

Eine weitere Verbesserung dieses Sattels bildete der um 1800 in Kalifornien als "California-Missionssattel" von den Franziskanermissionen eingeführte Hirtensattel. Die ersten dieser spanischen Missions-Rinderhirten waren christianisierte Indianer, Vorfahren der mexikanischen "Vaqueros". Der Missionssattel hatte als Sitzbelag ein zugeschnittenes, weiches Schafsfell.

 

Um 1827, nachdem sich die mexikanische Republik vom spanischen Mutterland losgesagt hatte und selbständig geworden war, die spanischen Kolonie-Missionen säkularisiert, ihre Ländereien und großen Rinderherden an mexikanische Rancheros verteilt waren, hatte der mexikanische "Ranchero-Sattel" bereits die Grundform des späteren amerikanischen Cowboysattels, die nicht idealer sein konnte.

 

Aus diesem Sattel entwickelte sich um 1835 der typische mexikanische "Vaquero-Sattel", der sich vom Ranchero-Sattel lediglich dadurch unterschied, daß statt der bis dahin üblichen schweren Steigbügel aus Messingguß nun solche aus lederverkleidetem Holz mit einem darüber genähten, breiten "Schuhband" verwendet wurden.

 

Der um 1845 entwickelte "Santa-Fe-Sattel" diente hauptsächlich dem langsamen Santa-Fe-Handel und den Kurierreitern zwischen den einzelnen Depots am Wege. Der Sattelbaum aus Cottonwoodholz war mit grüner, frischer Rohhaut überzogen, die, im Trockenprozeß geschrumpft, den Sattel zu einer eisenharten Einheit verband.

Um 1850, nachdem die Republik Texas ihre Unabhängigkeit von Mexiko erkämpft hatte, und erstmalig der texanische Cowboy als eigener berittener Hirtentypus hervortrat, erhielt der mexikanische Vaquero-Sattel im "Texas-Eisenhornsattel" seine dazu endgültige eigenständig-amerikanische Form. Die Sattelgabel war erheblich erhöht, das Horn aus Eisen, schlank und steil aufragend, der Sattelkranz bildete eine hohe, rundgeschlossene Sitzlehne, die mit Leder verkleidet war. Steigbügelschutzschilder waren eingeführt worden, und der Stolz auf die erkämpfte Unabhängigkeit dokumentierte sich darin, daß man allgemein einen großen Stern (Staatswappen von Texas) in die Innenseite des Sattelkranzes prägte.

 

Von nun an wurde dieser Texas-Eisenhornsattel das Vorbild aller Weiterentwicklungen, die nur noch sehr unwesentliche spezifische Änderungen hervorbrachten, wie etwa 1855 der "Apple-Hornsattel", bei dem das schlanke Horn aus Eisen durch ein kompaktes, plump wirkendes (einem halbierten Apfel ähnelnden) Horn aus Hartholz ersetzt war.

 

Der 1860 entstandene "California-Caballero-Sattel" war praktisch eine Prunkausgabe des Apfelhornsattels.

1861 erinnerten sich die Pony-Expreß Manager bei der Überlegung, Posttaschen am Sattel anzubringen, die möglichst rasch ausgetauscht werden konnten, an die spanische "Mochila", jenes Sitzleder, das einfach über den Sattel gelegt wurde. Man konstruierte die Pony-Expreß-Mochila, eine Art Ledersitzdecke mit aufgenähten Posttaschen, in die Öffnungen für Sattelgabel und Sattelkranz geschnitten waren, so daß diese Mochila blitzschnell auf den Sattel geworfen und wieder abgenommen werden konnte.

 

Aus dieser Form entwickelte sich um 1870 der "Mutter-Hubbard-Sattel", bei dem man die Mochila fest auf den Sattelbaum aufnähte und zum ersten Mal die kegelförmige Sattelgabel zur Sitzseite hin mit einer sogenannten "Clark-Bocken"-Polsterrolle versah. Diese breit nach beiden Seiten ausladende, harte Lederpolsterrolle sollte den Oberschenkel des Reiters auch von der Vorderseite des Sattelsitzes her einen festen Halt beim Bocken eines Pferdes geben.

 

Diese erste Form einer "Schwellgabel" (engl. Swell Fork) sollte 30 Jahre später die endgültige Form des modernen amerikanischen Cowboysattels bestimmen. Der 1872 in Texas entwickelte "Texas-Sattel" erhielt als Neuheit an beiden Seiten unterhalb des Sitzes sogenannte "Seitenjockeys", die die Schenkelinnenseiten des Reiters vor Wundscheuern bewahrten. Die Platten der Sattelunterlagen waren abgerundet, die Steigbügel bestanden aus sehr breiten Fächerbandeisen, die mit Leder verkleidet waren.

 

Der Texas-Sattel gelangte mit den texanischen Treibherden nach Westen und Norden und wurde dort als Vorlage für weitere regiongebundene Verbesserungen benutzt.

 

So entstand in Kalifornien hieraus der "California Center Fire"-Sattel, in Oregon der "Ahlstron & Günther"-Sattel, die beide mit imposanten, langschlappigen "Adlerschnabel-Steigbügelschuhen" ausgerüstet waren. Der "Montana-Sattel" verzichtete auf diese Verzierungen.

 

Um 1880 bildete dann der "California-Taylor"-Sattel der Sattelfabrik Aleck Taylor in Monterey, Kalifornien, mit dem "Ladesma"- und "Visala"-Sattelbaum die endgültige Form des kalifornischen Sattels, der auch bis heute noch hergestellt wird und als Prunkstück gilt.

 

Der 1892 in Oregon nach dem Vorbild des Mutter-Hubbard-Sattels im Westen eingeführte "Schwellgabel-Sattel" (engl. Swell Fork Plains oder Ellensburg-Sattel) hat die beim Mutter-Hubbard-Sattel aufgenähte Polsterung für die Oberschenkel bereits beim Holzgerüst der Sattelgabel berücksichtigt. Beiderseits der ursprünglichen "A"-förmigen Gabel ragen lange Wülste an den Gabelseiten heraus, die der Ellenbogenpartie eines angewinkelten Armes ähneln.

 

 

Dieser Pleasure-Sattel ist ein Prunkstück - der als "Gold-Line" verkauft wird. Das bedeutet, daß er komplett von einem Sattel in Handarbeit hergestellt wird.

 

 

Aus all diesen Entwicklungsformen amerikanischer Sättel haben sich drei Grundformen herauskristallisiert:

l. Der "Texas-Sattel", der im Südwesten bevorzugt wird,

2. Der "California Center Fire - Sattel", der im Westküstengebiet bevorzugt wird,

3. Der "Swell Fork - Sattel", der im Nordwesten geritten wird.

Zu nennen wäre noch der von George B. McClellan für die US-Kavallerie konstruierte "Cavalry"- oder "McClellan-Sattel", der in der Form wieder - der Himmel weiß warum - auf dem uralten spanisch-mauretanischen Kriegssattel beruhte und nach übereinstimmender Meinung der Cowboys "unbequem wie das Nadelkissen in einem Raubtierkäfig" war.

 

Auch die Indianer hatten Sättel

 

Entgegen der allgemein in der Welt verbreiteten Meinung, daß den Indianern Nordamerikas der bloße Rücken eines Pferdes, oder gar nur eine Decke als Reitsitzunterlage genügt habe, muß festgestellt werden, daß Indianer sehr wohl - und fast immer - Sättel benutzten. Der indianische "Holzgerüstsattel", der von allen Reiterstämmen benutzt wurde, bestand aus seitlichen Hartholztrachten, die mit zwei hoch aufragenden "A"-förmigen Schenkeln verbunden und mit Rohhaut überzogen waren. Sattelgurt und Steigbügel vervollständigten dieses Gestell, das einfach über eine Satteldecke auf den Pferderücken geschnallt wurde. Ein über die Trachten gelegtes hartes Sitzleder aus Rohhaut machte den Sattel komplett.

 

Im Gegensatz zu den Cowboys, die gewöhnlich mit durchgestreckten Knien "in den Steigbügeln stehen", hockten die Indianer mit angezogenen Knien, sich dabei federnd mit den Füßen in die Steigbügel stemmend, auf ihrem Sattel.

 

Der indianische "Decken-Sattel" bestand aus zwei hartgeräucherten, dicken Rohhautlederplatten in Sanduhrform, die über dem Rückgrat des Pferdes mit Rohhautschnüren an den Enden und in der Mitte zusammengeflochten waren. An Lederringen in der Mitte der Unterkanten wurden der Sattelgurt und die Steigbügelriemen befestigt. Als Unter- und Überlage diente je eine Decke oder ein weiches Schaffell. Diese Deckensättel wurden von den nördlichen Reiterstämmen hauptsächlich für Angriffe über kurze Entfernungen verwendet. Sie erlaubten den Indianern, sich jederzeit zur Seite gleiten zu lassen und so, für den Angegriffenen unsichtbar geworden, unter dem Hals des dahinjagenden Pferdes hinweg zu schießen.

 

Frauen saßen auf Männer-Sätteln

 

Der Damensattel europäischer Prägung, bei dem die Dame mit an einer Seite herunterhängenden Beinen praktisch seitlich auf dem Pferd sitzt, ist im historischen Westen nie populär gewesen. Shirly F. Sotheby, 1891: "Solche Dinge wären in der Wildnis den reitenden Frauen gefährlicher geworden als Indianer und Klapperschlangen. Es gäbe ganz gewiß heute ein paar Millionen Amerikaner weniger, wenn Frauen nicht geritten wären wie Männer."

 

(Aus einem Vortrag von Heidi & Harald Mader, Lettweiler)

 

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