Geschichte des Wanderreitsattels

Von der Astgabel zum flexiblen Sportsitz

 

Die Geschichte des Sattels zählt nach Jahrtausenden - am Anfang standen harte Astgabeln, die hinter die Schultern des Pferdes geklemmt wurden. Mit den Jahrhunderten kamen Militär- und Arbeitssättel mit großen Auflageflächen, die stundenlanges Reiten erlaubten. Erst die vergangenen Jahre führten zur Entwicklung von flexiblen Sattelbäumen, die sich der Bewegung des Pferderückens anpassen und eine größtmögliche Verteilung des Reitergewichts ermöglichen.

 

Schon in der Steinzeit kannten unsere Vorfahren das Pferd – allerdings nicht als Reittier, sondern als Nahrung. Die Jägerhorden der Eiszeit trieben die Pferdeherde über steile Klippen zum Todessturz hinunter in die Tiefe. Der Felsen von Solutré im ostfranzösichen Burgund ist für solche Treibjagden bekannt, die sich vor etwa 20.000 Jahren abgespielt haben.  

5000 Jahre alt ist diese erste Darstellung eines Reiters in einer Ritzzeichnung im nordspanischen Torre de Bredos.

 

3200 Jahre alt ist dieses Bild eines reitenden Bogenschützen, der auf einem Felsen in Ladakh (Tibet) verewigt ist.

 

Auch in späteren Zeiten dürfte das Pferd als reines Tragtier für die Lasten der Nomadenvölker kaum eine Rolle gespielt haben. Denn es gab Tiere, die viel einfacher als das Pferd zu zähmen waren und sich einspannen ließen: Hunde, Kühe und Rentiere. Für diese Tiere gab es schon früh Stellagen, an denen sich das Hab und Gut der herumziehenden Menschen befestigen ließ.

Die Ur-Sättel gibt´s noch heute

 

Diese Gestelle bestanden ursprünglich nur aus zwei Astgabeln und rippenförmig gebogenen Querhölzern, die zusammengebunden auf dem Rücken der Tiere festgezurrt wurden. Solche allerdings schon mit Leder und Fell gegen den Rücken des Tieres abgepolsterte Ur-Gepäcksättel findet man heute noch in der Mongolei und bei den finnischen Lappen im täglichen Einsatz.

 

Auf die ersten Reitpferde – nachgewiesen für das 3. Jahrtausend vor Christus – schwang man sich dagegen noch ohne Sättel, da sich der Mensch ja gut mit seinen Beinen festklammern kann. Schnell wird man Felle untergelegt haben. Daraus entwickelten sich binnen kurzer Zeit Sattelkissen, die wie ein Kleeblatt vernäht und mit Wolle gefüllt waren. Dies reichte den ersten Reitern als weicher Sitz für längere Strecken völlig aus.

 

Da ein solches Kissen allerdings sehr rutschig auf dem Pferderücken liegt, wurde das Prinzip des Ur-Gepäcksattels und dessen Astgabel-Baum übernommen. Darüber wurde ein Fell gespannt. An der Astgabel wurde seitlich ein Bauchgurt, nach vorn bzw. hinten Brust- und Schweifriemen befestigt. Zur Schonung des Pferderückens wurde unter die Stellage ein Schaffell mit der behaarten Seite zum Tier gelegt.

 

Die Skythen erfanden den Steigbügel

 

Steigbügel gab es bei den Skythen in Form von ledernen Schlaufen am Sattelgurt auch schon ab dem 3. Jahrhundert vor Christus. Diese Erfindung machte das Reiten wesentlich einfacher, verlieh dem Reiter einen besseren Sitz – machte das Kämpfen zu Pferd überhaupt erst möglich. Der kriegerische Erfolg der asiatischen Reiterheere ist auf den Steigbügel zurückzuführen. In Asien wurde auch der metallene Steigbügel und seine heute noch häufigste Form des Sport-Steigbügels entwickelt.

 

Das beschriebene Konstruktionsprinzip gilt auch heute noch ausnahmslos für alle Sättel, ob nun Hirten-, Militär-, Trekking-, Distanz-, Western- oder Wanderreitsattel und sogar Damensattel. (Lediglich die europäischen Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitssättel sowie die neuerdings erhältlichen Sattelkissen bzw. "baumlosen Sättel" bilden eine Ausnahme.) Aus der Astgabel von einst wurden lange, gebogene Sattelbretter bzw. Trachten, die das Gewicht des Reiters auf eine große Fläche verteilen und so den Pferderücken entlasten. Neben dem Holzbaum finden heute mehr und mehr Metalle und Kunststoffe oder Kombinationen daraus ihren Eingang in den Sattelbau.

 

Die einfachste Form eines Sattels besteht aus zwei Astgabeln und zwei Stangen, die die Gabeln verbinden. Die Skythen kannten sogar schon Steigbügel.

Der McClellan-Sattel der US-Kavallerie des 19. Jahrhunderts ist vom Prinzip ebenso konstruiert wie der Skythen-Sattel.

  

Reiten mit baumlosen Sätteln?

 

Seit einiger Zeit gibt es immer neue "Sättel" bzw. Sattelkissen auf dem Markt, die keinen Baum besitzen. Objektiv sitzt man gut in diesen "Sätteln" - da man nah am Pferd ist - zudem sind sie sehr leicht und wegen des geringen Konstruktionsaufwandes preiswert.

 

Dennoch halte diese Art "Sättel" aus mehreren Gründen für gefährlich: Sie rutschen insbesondere auf Pferden mit rundem Rücken; durch die Steigbügel wird dem Reiter eine Sicherheit vorgegaukelt, die sie nicht bieten.

 

Zudem erfüllen Sättel ohne Baum nicht ihre Hauptaufgabe, wegen der sie überhaupt erfunden worden sind: das Verteilen des Gewichts des Reiters. Vielmehr gibt es links und rechts auf dem Pferderücken - dort wo die Oberschenkel des Reiters anliegen - sowie auf der Wirbelsäule des Pferdes - dort, wo die Sitzbeine des Reitergesäßes einsitzen - sehr hohe Druckbelastungen. Mit elektronischen Messungen an einem Kunststoffpferd konnte dies unter anderem auf der Equitana 2001 nachgewiesen werden.

 

Unter diesen "Sätteln" angebrachte, spezielle druckentlastende Pads bewirkten sogar das Gegenteil: Weil sich diese Pads unter dem Sattel- und Reitergewicht straffen, kommt es trotz der Wirbelfreiheit links und rechts entlang dieses aufgesparten Teils zu überhöhtem Druck. Mein Tip: Vergessen Sie solche "Sättel".

 

Fragen Sie den Verkäufer eines solchen "Sattels" einmal, warum die Reiter schon vor annähernd 5000 Jahren vom einfach zu nähenden Sattelkissen auf Sättel mit Baum umsattelten ... 

 

Auch flexible Sättel müssen angepaßt werden

 

Erst seit wenigen Jahren gibt es sogenannte „flexible Sättel“ mit Kunststoffbäumen. Diese Bäume sollen sich dem Pferderücken in der Bewegung anpassen und so das größte Problem aller früheren Sättel lösen. Denn die Jahrtausende alte Konstruktion krankt an dem Widerspruch zwischen dem sich im Lauf bewegenden, durch Training und Futterzustand ständig verändernden Pferderücken und dem starren Baum. Ein Sattel, der heute paßt, kann morgen schon zu eng oder zu weit sein, das Pferd drücken. Flexible Bäume aus Kunststoff können sich dagegen verformen, anpassen, und dennoch ihre Grundform wieder annehmen – das Gewicht des Reiters so wesentlich gleichmäßiger auf dem Rücken des Tieres verteilen.

 

Auch diese flexiblen Sättel müssen grundsätzlich dem Pferd passen bzw. angepaßt werden! Man kann also nicht ein x-beliebiges Modell kaufen und einfach auf das Pferd legen. Erst ein passender flexibler Sattel kann später die Bewegung des Pferdes aufnehmen und sozusagen auf dem Rücken und unter dem Reiter mitarbeiten.

 

Unter den flexiblen Sätteln gibt es zwei Entwicklungsrichtungen. Die eine besteht aus einem konventionell geformten Sattelbaum aus einem speziellen, massiven Kunststoff (Beispiel: Equiflex, UltraFlex). Dieser Kunststoff wird ab bestimmten Temperaturen beweglich, also flexibel. Das Problem dieser Sättel ist die Temperatur, die notwendig ist, damit der Kunststoff verformbar wird. Sie liegt bei etwa 22 ° Celsius. Diese Temperatur wird so ein Sattel nur im Sommer erreichen, wenn man bedenkt, daß der Sattel zum Pferd durch eine dicke Unterlage isoliert ist und auch der Reiter nur in einem kleinen Bereich Temperatur „bringt“. Weichere Kunststoffe zu verwenden, geht auch nicht, da sonst bei hohen Umgebungstemperaturen die Gefahr besteht, daß so ein Baum sich dauerhaft verformt.

 

Die zweite Entwicklungsrichtung unter den flexiblen Sätteln greift vom Prinzip die scharnierartige Konstruktion deutscher und schweizer Militärsättel aus dem 19. Jahrhundert auf. In der heutigen Form (Beispiel: UltraFlex Vario, Oakfield) werden ein Sitz aus Holz oder flexiblen Kunststoff über vier verstellbare Scharniere mit den Trachten verbunden, die ihrerseits aus sich anpassenden Kunststoffplatten bestehen, die abgepolstert sind. Diese Platten sind im Gegensatz zur ersten Entwicklungsrichtung immer flexibel, also nicht von der Temperatur abhängig. Zudem stehen sie durch die Scharniere unter Spannung, wölben sich gegen den Pferderücken, nehmen dessen Form an.

 

Aufwändiges Prinzip bietet viele Vorteile

 

Dieses auf den ersten Blick aufwändige Konstruktionsprinzip hat enorme Vorteile, wenn es um die Paßform eines Sattels geht. Denn das Scharnier zwischen Baum und Trachten paßt sich nicht nur in der Breite dem Pferderücken an, es kann durch Unterlegscheiben auch in der Höhe verändert werden. So lassen überbaute Rücken so ausgleichen, daß der Reiter immer seinen optimalen Sitz findet, ohne die Vorhand des Pferdes zu belasten. Da sich die Trachten dem Pferderücken anpassen und schon gepolstert sind, erübrigt sich unter solchen Sätteln ein dickes Pad – eine dünne Decke zum Schutz des Sattels ist völlig ausreichend.

 

Ein weiterer enormer Vorteil dieser Sättel ist, daß sie vom Fachmann nahezu auf jedes Pferd – vom Isländer auf ein Shire Horse – angepaßt werden können. Wer sich ein anderes Pferd zulegen muß, kann wenigstens seinen gewohnten Sattel behalten. Die Vorteile rechtfertigen auch den höheren Preis dieser Sättel.

 

Ungewohnt dürfte für die meisten das Reiten auf solchen flexiblen Sätteln sein. Denn die Bewegungen des Pferderückens werden über den Sattel auf den Reiter übertragen – umgekehrt kommen die reiterlichen Hilfen wesentlich leichter ans Pferd. So schließt sich auch der Kreis von mehr als 5000 Jahren Pferdesätteln – denn das Reiten ohne Sattel kommt dem auf einem flexiblen Sattel sehr nahe. Thomas Link

 

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(Update 14. Februar 2002)