Vierte Etappe der Kreisbereitung erweist sich als mühsam: Nur zehn Kilometer Luftlinie an einem Tag

Wenn Kartenlesen wie Lottospielen ist

Eigentlich meinen es die Leute ja gut: „Hier müssen sie lang..." - Von einem Dorf, das keines mehr ist

 

Blicke können nicht töten. Blicke können einen aber aufwecken. Der Pferde-Unterstand, in dem wir schlafen, ist vom Ort aus bestens einsehbar. Halb Becherbach pilgert vorbei und besichtigt argwöhnisch unser Lager.

 

Mal wieder brechen wir ohne Frühstück auf und klettern mit knurrenden Mägen auf die Höhe über Bärenbach. Dann geht's hinab durch den Wald nach Kirn-Sulzbach, das ausgestorben in der Mittagshitze brütet. Kein Mensch wagt sich raus. Wenig später berauschen wir uns wieder am Blick – diesmal von der mehr 800 Jahre alten Kyrburg aus. Auf den Tomatensalat für 16 Mark verzichten wir aber. Bei dem Preis bleiben wir lieber  hungrig.

 

1000 Flüche für die Wanderkarte! Sämtliche Wege im Wald links des Hahnenbachtals sind zugewuchert. Nachdem wir zwei Stunden im Unterholz herumgeirrt sind, landen wir wieder in Kirn. Im Talkessel ärgern wir uns nach einer Stärkung gleich weiter: Unsere Fluchtwege ins freie Feld sind nur über steile Treppen zu erreichen. Gut für Fußgänger, nichts für Ponys. Und dann kommen die Helfer. „Nach Schloß Dhaun wollt ihr?" Die Passanten beginnen sofort, lautstark über den besten Weg für uns zu streiten. „Also, ihr geht jetzt am besten zurück. . ." „Nein, die müssen hier hoch und dann hinter der Kirche vorbei. . ." „Unsinn, die sollen sich jetzt rechts halten, und dann kommt da doch der Weg hinterm Steinbruch hoch. . ." „Was erzählst du da, das ist ein totaler Umweg. . ." Wir weigern uns erfolgreich, die Karte aus der Hand zu geben, um das Schlimmste zu verhüten. Die meisten Leute haben nämlich ein ziemlich gespanntes Verhältnis zu Landkarten: „Da reitet ihr da lang", heißt es dann, und der hilfsbereite Mensch zeigt auf die Autobahn. „Dann geht hier ein Weg ab" - der Helfer weist uns eine Hochspannungsleitung - „und dann geht's dort über die Bundesstraße" (es handelt sich um einen Fluß). In der Sendung „Verstehen Sie Spaß" wurden den Passanten ja einst Schnittmuster als Stadtpläne verkauft. Die meisten haben´s nicht gemerkt.

 

Nach geraumer Zeit finden wir einen treppenlosen Aufstieg Richtung Schloß Dhaun. Seit Stunden führen wir die Pferde, Weil's entweder steil bergab oder steil rauf oder über Asphalt geht. „Mir tun die Füße weh!" „Ich hab' Durst!" „Ich hab' keine Lust mehr!" Für gut zehn Kilometer Luftlinie haben wir einen ganzen Tag gebraucht. Höchste Zeit, ein Nachtlager zu suchen. Doch auf dem Karlshof über Kirn gibt es kein Quartier. „Und in Schloß Dhaun? Nein, kann mir nicht vorstellen, daß ihr da unterkommt. Aber ein Stück die Straße runter ist der Waldhof, die haben Pferde und bestimmt eine Koppel."  

Eine Pommes am Fuße der Kirner Kyrburg: Hafer mit Mayo gab´s leider nicht, und am Bier durfte Picco auch nur schnuppern. Foto: Klaus Schmelzeisen

 

Es gibt viele Koppeln, auf dem Waldhof, aber es gibt auch Gründe genug, warum wir sie nicht benutzen können. „Nein, geht nicht, wir haben keinen Platz." Nun ja, man kann niemanden zwingen, spontan zwei wildfremde Gestalten samt Pferden aufzunehmen. Erstaunlich genug, daß wir sonst immer unterkommen.

 

Über Asphalt geht's also, was bleibt uns übrig, wieder runter ins Nahetal. Eigentlich die ganz falsche Richtung, wir wollten nach Norden. Auch in St. Johannisberg, so niedlich das Örtchen ist, fehlt eine Koppel. „Versucht's doch beim ‚Berjermeister’ in Hochstetten, der hat auch Gäul'." Na, das ist doch immerhin ein Tip.

 

Ein fahrender Eisverkäufer verfolgt unser Schicksal voller Anteilnahme, als wir durch den Ort irren. Als wir ihn das dritte Mal treffen, sorgt er sich richtig. „Habt ihr noch nichts gefunden? Ah, da kommt er ja, der  ‚Berjermeister’. . ." Und so gibt's doch noch ein Happy end. Der Gemeindechef stellt uns eine Weide zur Verfügung, schleppt Wasser, Heu, Hafer und Mohren für unsere Vierbeiner an. Wir selbst bekommen ein weiches Strohlager in einer leerstehenden Pferdebox.

 

Im Dorfgasthaus werden wir zu später Stunde noch prima und preiswert verpflegt. Und wir  quatschen uns mal wieder fest, mit der Wirtin. „Ja, Pferdsfeld, da könnt ihr nicht lang mit den Pferdchen. Früher, da war das mal eines der schönsten Dörfer im Kreis. Einfach weggemacht für den Flughafen. Das gab Tränen damals, die alten Leute waren ganz verzweifelt. Und nun braucht den Platz gar keiner mehr. Verrückt." Und sie erzählt von anderen Verrückten - „da war einer, was haben wir über den gelacht! Der hat sich nach dem Krieg hier ein Militärpferd eingefangen, dabei konnte er gar nicht reiten. Mein Mann hat sich auch mal draufgesetzt. Da sagt der Kerl, du sitzt ja verkehrt 'rum auf dem Gaul. Sagt mein Mann: Du weißt ja gar nicht, in welche Richtung ich reiten will!"

 

Etappe 5 führt von Hochstetten durch den Soonwald bis nach Schöneberg.

 

Zurück      Homepage