Der fünfte Tagesritt führt über die Wege des Räuberhauptmannes Schinderhannes – Lager am Teich

Im Soonwald grüßt Wiebke

Der Windbruch hat Spuren hinterlassen

 

Hochstetten-Dhaun könnte so schön sein. Wäre da nicht die berühmt-berüchtigte B 41. Der  Pferdestall, in dem wir schlafen, liegt genau an der Bundesstraße. Die ganze Nacht brausen lärmend Autos und Lastwagen an unseren Kopfkissen vorbei.

 

Einen Drogerie-Markt gibt's im Ort, aber leider kein Lebensmittelgeschäft. „Ich weiß auch nicht, warum", sagt unsere Wirtin, „ich würde gern ein paar Pfennig mehr bezahlen, wenn ich noch hier im Ort einkaufen könnte.  Aber alle Läden hier in der Gegend haben zugemacht." Jetzt wolle die Gemeinde versuchen, in Eigenregie ein Lebensmittelgeschäft zu betreiben - im Hunsrückort Sargenroth läuft so ein „Nachbarschaftsladen" schon seit Jahren ganz gut. Proviant für uns können wir also nicht kaufen, aber Hauptsache, die Pferde haben Hafer. Dafür hat unser Gastgeber gesorgt, bevor er zur Arbeit mußte.

 

Vollgetankt und bestens gelaunt stapfen die Ponys los. Über den „Simmerhammer" geht's mit Blick auf Schloß Dhaun ins Simmerbachtal, wo wir uns wieder vorkommen wie in den Voralpen. Wie ein Gebirgsflüßchen gluckert der Bach in seinem tief eingeschnittenen Bett über die Felsen. Alpin ist's auch weiter oben: In Horbach fehlen nur noch die Alphorn-Klänge und der Großvater Heidis. Jetzt ist's vorbei mit der Kletterei. 200 Höhenmeter Aufstieg, 200 Meter Abstieg, dann noch mal 200 Meter Aufstieg haben wir in den letzten eineinhalb Stunden bewältigt. Nun bleiben wir oben - bis Schöneberg. Unsere Reisegeschwindigkeit nimmt dadurch deutlich zu; nach der lahmen Etappe gestern recht angenehm.

 

Mit dem Pferd unterwegs – da verschieben sich die Maßstäbe. 30 Kilometer fährt man mit dem Auto in einer halben Stunde. Für die Rösser ist's schon eine brauchbare Tagesleistung, zumal bei der enormen Hitze. Natürlich können gut trainierte Pferde 80, 100, sogar 160 Kilometer an einem Tag laufen. Aber nicht eine ganze Woche lang, nicht mit schwerem Gepäck, nicht ohne monatelanges Aufbautraining, nicht ohne Leistungsfutter, das unterwegs schwer zu bekommen ist. Außerdem haben wir ja Zeit.

 

Doch jetzt geht's zügig, schnell sind wir im Soonwald. In der Siedlung Waldfriede läuft uns, um die Idylle perfekt zu machen, ein Reh samt Kitz über den Weg. Auf den Spuren des Schinderhannes  geht es weiter nach Kallweiler. Von dem Ort haben die Schweden seinerzeit nichts übriggelassen. Der Speisekarte in der Waldkneipe entnehmen wir, daß das Dorf zerstört wurde, weil die Bewohner ihre silberne Glocke im Brunnen versenkten und sich weigerten, das Versteck zu verraten. „Danach hatten sie zwar ihre Glocke gerettet, aber kein Dorf mehr." Wir verzichten auf die Schatzsuche und schlagen uns ins Unterholz.

 

Die Wege, sofern nicht geschottert, sind abenteuerlich. Wahrscheinlich sind wir seit dem  legendären Räuberhauptmann die ersten, die diese Pfade betreten. Wo die Karte Wald verzeichnet, gibt es längst keinen mehr. Kreuz und quer liegen umgeworfene Stämme, dazwischen kämpfen Pionierpflanzen ums Überleben. Hier wütete Wiebke. Um nicht völlig die Orientierung zu  verlieren, halten wir uns nah am Waldrand. Auch wenn im Wald keine Räuber mehr sind.

 

Wo Wirbelsturm Wiebke gewütet hat, haben Reiter schlechte Karten. Im Soonwald ziehen wir den Kopf ein. Foto: Klaus Schmelzeisen

 

 Bevor wir uns restlos verfransen, traben wir aus dem Wald  Richtung Spall, trotten vorbei am kunterbunten Haus der Aktionskünstler Mole und Wollrhine, tauchen ins Gräfenbachtal ein und reiten über Spabrücken nach Schöneberg. Weiter nach Dörrebach? „Nee, lieber nicht. Dann  verreiten wir uns in diesem blöden den Wald, und dann wird´s dunkel. Lassen wir's lieber.“

 

Ist auch nicht nötig, denn in Schöneberg finden wir ein prima Quartier beim Neffen eines Bekannten. Gerhard Wilbert weiß nur, daß wir irgendwann im Sommer vorbeikommen wollten, verliert aber keineswegs die Fassung, als wir plötzlich vor der Tür stehen. Im Gegenteil, er  organisiert prompt Hafer im Eckenrother Gestüt, und die Rösser kriegen eine große Weide. Uns chauffiert er zum Essen nach Hergenfeld. Hier sind die Schnitzel größer als die Teller und wir können nicht einmal behaupten, daß uns das nach den Mühen des Tages nicht gelegen käme. Nach einem Gute-Nacht-Wein schlafen wir am Ufer seines Forellenteichs ein. Weit genug entfernt allerdings, um nicht reinzufallen...

Die 6. Etappe führt zurück zum Breitenfelserhof. Willkommen zu Hause!

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